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Das Kurzdarmsyndrom (Short Bowel Syndrome) beim Hund

Von einem Kurzdarmsyndrom, auch Short Bowel Syndrome genannt, spricht man, wenn einem Hund mehr als zweidrittel seines Dünndarms fehlen. Der Darm eines Hundes kann unter Umständen so schwer erkranken, dass er chirurgisch verkürzt werden muss. Die Folgen eines Kurzdarmsyndroms können Durchfälle und Störungen bei der Aufnahme von Nährstoffen sein. Durch die unzureichende Nährstoffaufnahme leiden auch andere Organe, wie z.B. die Leber. Auch das Immunsystem wird unter Umständen geschwächt.

Was ist eigentlich die Aufgabe des Darms beim Hund ?

Karnivore (Fleischfresser) haben im Vergleich zu Omnivoren (Allesfresser) und Herbivoren (Pflanzenfresser) ein eher kurzes Darmsystem. Dieses ist relativ einfach gebaut, da die aufgenommene Nahrung sehr reichhaltig und gut verdaulich ist. Nachdem der Nahrungsbrei den Magen passiert hat, landet er im ersten Abschnitt des Dünndarms, dem Zwölffingerdarm (Duodenum). Wenn der Speisebrei aus dem Magen kommt, hat er einen sehr geringen pH-Wert und ist dementsprechend sauer. Durch das saure Milieu soll unter anderem der folgende Bereich des Darms vor schädlichen Mikroorganismen geschützt werden. Der Zwölffingerdarm neutralisiert den Verdauungsbrei durch Gallenflüssigkeit, mit Hilfe der dort befindlichen Brunnerschen Duodenaldrüsen, sowie Enzymen der Bauchspeicheldrüse. Im Zwölffingerdarm findet ein Hauptteil der Verdauung statt, die zahlreichen Verdauungsenzyme und Darmzotten, sowie Mikrovilli helfen dabei, Produkte im Körper abzutransportieren und aufzunehmen. Darmzotten und Mikrovilli  sind längliche Ausstülpungen aus der Darmwand und sorgen für eine enorme Oberflächenvergrößerung. Die vergrößerte Oberfläche sorgt für ein maximales Resorptionsvermögen. Im Leerdarm (Jejunum) werden die Nährstoffe weiter aufgespalten. Der Hüftdarm (Ileum) ist der letzte Dünndarmabschnitt und verhindert, dass Darminhalt aus dem Dickdarm in den Dünndarm zurückfließen kann. Der Blinddarm (Caecum) ist bei Fleischfressern eher minder ausgeprägt, da dem Dünndarm fast kein Nahrungsabbau entgeht. Den größten Teil des Dickdarms bildet bei Fleischfressern der Grimmdarm (Colon). Hier finden die Wasserrückgewinnung, sowie die Rückgewinnung von Elektrolyten (Salzen) statt. Durch Bakterien werden verbliebende Reste der Nahrung aufgespalten. Der letzte des Teil des Dickdarms ist der Mastdarm (Rectum), im welchen unverdauliches Material bis zum Absetzen des Kots aufbewahrt wird, außerdem wird hier der Kot mit einer Art Schleim überzogen, um leichter aus dem Körper austreten zu können.

Welche Hunde können ein Kurzdarmsyndrom bekommen?

Die Ursachen für ein Kurzdarmsyndrom sind, wie bereits erwähnt, verschiedene Darmerkrankungen. Einige möchten wir hier genauer erläutern:

Volvulus

Volvulus ist eine Verschlingung oder Verdrehung des Darms bzw. eines Darmabschnitts. Durch die Drehung wird die Durchblutung im betroffenen Darmabschnitt unterbrochen, außerdem kann ein Darmverschluss entstehen. Es kann zu einer Unterversorgung anderer Organe bis hin zu einem lebensbedrohlichen Zustand kommen, auch ein Absterben des Gewebes (Gangrän) ist möglich. Typische Symptome sind ein aufgeblähter Bauch, Erbrechen, Bauchschmerzen und Verstopfung, ein schlechtes Allgemeinbefinden, Durchfall und Appetitlosigkeit.

Invagination

Bei einer Darminvagination stülpt sich ein Teil des Darmes in einen anderen. Hierbei kann das Passieren des Futters eingeschränkt werden oder sogar ganz unterbrochen werden. Wie bei der Volvulus kann auch die Blutversorgung eingeschränkt, oder ganz unterbrochen werden und somit ein Teil des Darms absterben. Die Symptome sind der Darmverschlingung sehr ähnlich. Eine Invagination tritt häufig bei jungen Hunden auf, wird sie frühzeitig entdeckt, kann der Darm in einer Operation zurück in seinen natürlichen Zustand versetzt werden. Gegebenenfalls werden die einzelnen Darmabschnitte aneinandergenäht, um Stabilität zu erzeugen.

Inkarzeration

Als Inkarzeration bezeichnet man die Einklemmung von (Darm-)Gewebe, z.B. in Folge eines Eingeweide-, oder Leistenbruchs. Durch eingeklemmten Kot kann die Passage des Nahrungsbreis unterbrochen- und die Darmwand kann geschädigt werden.

Durchblutungsstörungen und Darminfarkt

Es gibt verschiedene Ursachen für Durchblutungsstörungen des Darms. Dieser wird hauptsächlich durch drei Schlagadern durchblutet, welche aus der Bauchschlagader entspringen. Durch Blutgerinnsel kann eine der Adern verstopft werden. Ein akuter Verschluss eines Darmgefäßes wird auch Mesenterialinfarkt (Darminfarkt) genannt, die Sauerstoffversorgung des Organs wird somit unterbrochen. Auch eine chronische Durchblutungsstörung ist möglich, wenn mehrere der Adern durch Ablagerungen verengt werden. Symptome sind unter anderem Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, blasse Schleimhäute, (blutiger) Durchfall. Durch eine mangelnde Blutversorgung nimmt das Gewebe Schaden, im schlimmsten Fall soweit, dass die Zellen absterben.

Darmkarzinome/ Darmkrebs

Wenn der Darm von Tumoren befallen ist, ist eine häufige Lösung diese großzügig zu entfernen. Je nachdem wie sehr der Darm befallen ist, muss ein beachtlicher Teil chirurgisch entfernt werden. Symptome sind häufig Gewichtsverlust, Erbrechen, schleimiger und blutiger Kot, Durchfall oder Verstopfung.

 

Außerdem können Verletzungen durch Fremdkörper, Entzündungen und seltener auch Pilzinfektionen den Darm so stark schädigen, dass er chirurgisch verkürzt werden muss. Natürlich ist diese manuelle Verkürzung nicht immer von Nöten und zwar bei fast keiner der oben genannten Erkrankungen. Wenn die Krankheiten frühzeitig erkannt werden, ist es in den meisten Fällen nicht nötig, den Darm so sehr zu verkürzen, dass er anfällig für das Kurzdarmsyndrom wird. Trotzdem gibt es natürlich immer wieder Formen dieser Erkrankungen die keine andere Behandlung zulassen.

Symptome des Kurzdarmsyndroms beim Hund

Symptome treten in der Regel erst dann auf, wenn mindestens die Hälfte des Darms entfernt werden musste, wahrscheinlicher sind sie bei einer Entfernung von ca. zwei Drittel des Darmes.

Tiere, welche an dem Kurzdarmsyndrom erkrankt sind, leiden unter einem Mangel von Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen (z.B. Vitamine, Calcium, Magnesium etc.), da der Darm nicht mehr ausreichend Kapazitäten hat, um Nährstoffe aus dem Nahrungsbrei zu entziehen. Daraus entstehen Mangelerkrankungen und Gewichtsverlust. Außerdem wird der Körper möglicherweise nicht mehr ausreichend mit Wasser versorgt. Patienten leiden auch unter Durchfällen und Fettstühlen, da der Dünndarm nicht mehr in der Lage ist das Fett und Wasser zu resorbieren. Wenn der Hüftdarm entfernt worden ist, kann außerdem nicht mehr genügend Gallensäure aufgenommen werden, wodurch die Durchfälle verstärkt werden können.

Durch das Kurzdarmsyndrom können noch weitere Effekte auftreten, die nicht direkt das Verdauungssystem betreffen. Der Leerdarm bildet normalerweise Hormone, welche die Magensäure hemmen, wurde dieser entfernt, kann es zu einer Überproduktion kommen. Durch die fehlende Gallensäure werden außerdem Gallensteine begünstigt. Auch die Bildung von Nierensteinen wird gefördert, da das Oxalat, welches normalerweise im Darm an Calcium gebunden vorliegt und mit dem Stuhl zusammen den Körper verlässt, nun frei vorliegt. Das führt zu einer Oxalat-Spiegel Erhöhung im Blut und Urin, wird die Löslichkeitsschwelle überschritten bilden sich daraufhin Oxalat-Steine in den Harnwegen.

Wie wird ein Kurzdarmsyndrom beim Hund diagnostiziert?

Besteht der Verdacht auf das Kurzdarmsyndrom, gibt es verschiedene Möglichkeiten dieses klar vom Tierarzt diagnostizieren zu lassen. Zur Diagnose von Mangelerscheinungen können Blutuntersuchungen hilfreich sein, auch die Zusammensetzung des Kots kann darauf hinweisen, dass eventuell ein Kurzdarmsyndrom vorliegt. Weitergehend kann auch der Bauchraum mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen, Röntgenuntersuchungen oder Computertomografie untersucht werden.

Behandlung des Kurzdarmsyndroms beim Hund

Durch die Behandlung des Kurzdarmsyndroms werden primär Mängel an Nährstoffen ausgeglichen. Flüssigkeit und Mineralstoffe werden direkt nach der Operation als Infusion zugeführt. Es ist auch möglich Mängel durch Sondennahrung auszugleichen. Nun muss sich der Darm in der folgenden Zeit funktionell an die neuen Gegebenheiten anpassen (Adaptation), dass tut er z.B. indem die Länge der Mikrovilli und Darmzotten erhöht wird. Durch das Wachstum von Schleimhautzellen im Darm ist es möglich die Fläche, mit welcher Nährstoffe aufgenommen werden können zu vergrößern. Je nachdem wie gut oder schlecht das gelingt, müssen eventuell auch weiterhin Nährstoffe zugeführt werden. Wird beispielsweise der Krummdarm entfernt, ist es nötig dem Hund sein Leben lang das Vitamin B12 zuzuführen. Der Blutspiegel sollte sehr regelmäßig überwacht werden, um auch weiteren Mängeln vorbeugen zu können. Ein verkürzter Darm kann zu einer bakteriellen Überwucherung neigen, besonders wenn die Ileozökalklappe entfernt wurde, diese ist mit Antibiotika in den Griff zu bekommen. Um den Hund weiterhin gut zu versorgen, sollte möglichst schnell ein passendes Ernährungskonzept für ihn entwickelt werden. In der Regel wird der Hund zuerst mit fettreduzierter Flüssignahrung ernährt, es kann aber im weiteren Verlauf der Behandlung zu fester Nahrung gewechselt werden. Die Nahrung wird vor allem in Hinblick auf ihren Calcium- und Kohlenhydratgehalt, sowie Fettgehalt verändert, um sowohl Fettstühlen, wie auch Gallen- und Nierensteinen entgegenzuwirken. Durchfälle können mit einem „Magenschutz“ (Protonenpumpen-Inhibitor) behandelt werden, welche die Bildung von Magensäure einschränkt. Die Flüssigkeitsversorgung muss ebenfalls überwacht werden, da es möglich ist, dass der Darm dem Nahrungsbrei nicht mehr genügend Flüssigkeit entziehen kann. Wurde der Hüftdarm entfernt, kann außerdem keine Gallensäure, welche sich ein einem fortwährenden Kreislauf im Körper befindet, mehr aufgenommen werden, es kann zu einem Verlust kommen, welcher den Dickdarm reizt. Abhilfe für dadurch verursachte Durchfälle kann ein Gallensäurebinder schaffen.

Hinweise zum Futter für den Hund

Da Karnivoren in der Regel Fette sehr einfach verwerten können, kann das Futter in den meisten Fällen später durchaus auch wieder Fett enthalten. Das Futter kann die größtmögliche Menge an Fett enthalten, welche bei dem individuellen Patienten nicht zu einer vermehrten Ausscheidung von Lipiden (Fetten) im Stuhl führt. Bei Hunden ist das meistens eine Maximalmenge von 15 % Fett. Fette verlangsamen die Leerung des Magens hinüber in den Darm, das wirkt sich wiederrum positiv auf die Verdauungskapazität aus. Außerdem beschreiben Michael S. Hand und Craig D. Thatcher in ihrem Buch „Klinische Diätetik für Kleintiere“ (2002), dass Fette Auswirkungen auf die Darmanpassung im Hinblick auf Enterozytenwachstum (Enterozyten sind Darmzellen, welche für die Resorption zuständig sind), Zottenmorphologie, Enzymaktivität […] haben. Futter mit hoher Energiedichte kann außerdem Untergewicht entgegenwirken.

Unlösliche Faserstoffe können sich ebenfalls positiv auswirken. Sie haben Einfluss auf die Beweglichkeit des Darms und sind an der Regulierung des Wassergehalts im Kot beteiligt. Lösliche Faserstoffe können die Zeit der Passage der Nahrung durch den Darm regulieren. Sie binden außerdem kurzkettige Fettsäuren, wodurch die Vergrößerung der Schleimhäute gefördert werden kann. Außerdem können sie sich ebenfalls positiv auf die Wasserresorption auswirken. Ballaststoffe wie Pektine vergrößern den Nahrungsbrei und bewirken eine Verzögerung der Magenentleerung und sorgen ebenfalls für eine verbesserte Wasserresorption. Patienten, welche kaum in der Lage sind Gallensäure aufzunehmen, können mäßig fermentierte Fasern  bei der Aufnahme von Gallensalzen behilflich sein.

Fazit

Ein Kurzdarmsyndrom wird durch eine chirurgische Verkürzung des Darmes hervorgerufen, welche meistens eine vorherige Darmerkrankung als Ursache hat. Zeigt ein Hund Symptome wie starken Durchfall, Fressunlust oder schneller Gewichtsabnahme sollte in jedem Fall zügig ein Tierarzt konsultiert werden. Das Blut und Gewicht des Hundes ist außerdem ebenfalls regelmäßig zu kontrollieren. Die Behandlung variiert danach, welche Teile des Darms entfernt wurden und wie gut sich der Darm an seine Verkürzung anpassen kann. In jedem Fall ist es wichtig einen professionell angepassten Ernährungsplan durch den Tierarzt oder einem Ernährungsberater erstellen zu lassen. Einige Hunde haben durch ihren verkürzten Darm im weiteren Verlauf ihres Lebens kaum Probleme, andere müssen ihr Leben lang sehr gut und regelmäßig betreut werden.

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