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🐕 Der Wesenstest beim Hund – Ratgeber

Wer kennt die Schlagzeilen nicht: „Kampfhund soll Mutter und Sohn getötet haben“, „Kampfhund beißt Terrier tot“ oder „Hund beißt Baby in Kopf“!? Immer wieder kommt es zu Vorfällen, bei denen sogenannte Kampf- oder Listenhunde Menschen oder andere Tiere angreifen und ihnen teilweise sogar tödliche Verletzungen zufügen. Die Diskussion um die Haltung bestimmter Hunderassen wird so wieder und wieder angefacht. Ein Ansatz zur Prävention von Beißvorfällen ist der Wesenstest für Hunde. Doch was ist das überhaupt und hält er was er verspricht?

Was ist ein sogenannter Kampfhund?

Vielleicht hast Du dich auch schon gefragt, welche Eigenschaft eine Hunderasse besitzt, die als Kampfhundrasse bezeichnet wird. Gibt es überhaupt Kampfhunde oder ist der Halter erst derjenige der den Hund zum Problem werden lässt? Die Bezeichnung Kampfhund ist ein Begriff, der für Hunde geprägt wurde, die zum Zwecke von Kämpfen gegen andere Hunde oder Tiere trainiert wurden. Schon im römischen Reich gab es diese blutige Tradition, die nur der Unterhaltung diente. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, ist der Hundekampf glücklicherweise verboten. In kriminellen Milieus finden aber auch heutzutage noch regelmäßig illegale Hundekämpfe statt.

Was macht bestimmte Hunderassen attraktiv für Hundekämpfe?

Durch Züchtung wurden vor allem Eigenschaften wie Furchtlosigkeit und Widerstandsfähigkeit bei sogenannten Kampfhunden gestärkt. Wissenschaftlich ist aber nicht bewiesen, dass diese Rassen, zu denen zum Beispiel der Mastiff oder der Pitbull zählt, eine höhere Beißkraft als andere besitzen. Auch was das Gebiss betrifft, kann keinesfalls eine Pauschalisierung vorgenommen werden. Die Gebissstärke nimmt nicht etwa mit der Größe zu. Terrier und Jagdhund-Rassen besitzen zum Beispiel ein sehr starkes Gebiss, während Molosser (doggenartige Hunde) eher über ein schwaches Gebiss verfügen. Wenn es zu einem Zubeißen der Hunde kommt, neigen sogenannte Kampfhunde dazu sich „Festzubeißen“. Sie beißen einmal zu und lassen erstmal nicht mehr los. Viele andere Rassen beißen eher mehrmals zu. Was für das potenzielle Opfer, ob Mensch, Hund oder gejagtes Tier, zu schwereren Verletzungen führt, ist nicht pauschal zu beantworten. Die Bezeichnung Kampfhund ist also letztendlich nur auf die Verwendung der Hunde zurückzuführen, wie es auch bei Jagdhunden oder Hütehunden der Fall ist. Der Mut und die Ausdauer der Kampfhund-Rassen trägt zu ihrer Eignung für die Kämpfe bei, aber erst das gezielte Abrichten der Hunde durch den Menschen macht sie zu „Kampfmaschinen“.

Gesetzgebung in Deutschland

Der Wesenstest (oder auch Verhaltenstest) existiert nicht erst seit der Diskussion um die Gefährlichkeit von bestimmten Hunderassen. Eingesetzt wird er schon lange für die Einschätzung zur Zuchteignung die Auswahl von Diensthunden bei Polizei oder Militär. Doch mit aufkommendem Medieninteresse wurde der Wesenstest neben anderen Maßnahmen gegen gefährliche Hunde, wie zum Beispiel dem Sachkundenachweis, schließlich ab dem Jahr 2000 gesetzlich erlassen.

Listenhunde

Die bestehenden Hundeverordnungen und -gesetze unterscheiden sich  von Bundesland zu Bundesland. So besitzen viele Bundesländer Rasselisten, die vor allem solche Hunde aufzählen, die als Kampfhunde bezeichnet werden, wie zum Beispiel der Cane Corso oder der American Staffordshire Terrier. So wurde der Begriff des Listenhundes geprägt. Andere Bundesländer führen ihre Gefahreneinschätzung mittlerweile zusätzlich oder ausschließlich danach durch, ob der Hund schonmal durch Beißvorfälle oder andere Aktivitäten wie Hetzen von Wild aufgefallen ist. Die Gesetze sind so vielfältig, dass man keine allgemein gültigen deutschlandweiten Vorschriften zusammenfassen kann. Zudem findet eine ständige Überarbeitung der als gefährlich einzustufenden Rassen statt. Eine übersichtliche Auflistung der Bundesländer aus dem Jahr 2018 findest Du hier. 

Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz (HundVerbrEinfG)

2001 wurde  in Deutschland das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz (HundVerbrEinfG) erlassen. Die Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzungen dürfen generell nicht eingeführt werden. In einigen Bundesländern gilt dieses Einfuhrverbot noch für weitere Rassen wie den Mastiff oder die Bordeaux Dogge, sofern der Hund dort ständig gehalten werden soll. Teilweise verbieten die Bundesländer auch die Züchtung dieser Rassen.

Hundesteuer

Vor allem die Steuern für einen im entsprechenden Bundesland gelisteten Hund hat mittlerweile dazu geführt, dass die Anschaffung genau überdacht werden muss. 1.056 Euro pro Jahr werden zum Beispiel in Nürnberg fällig , kein ungewöhnlicher Preis für die Haltung eines Listenhundes in Deutschland. In Köln dagegen beträgt die Steuer 156 Euro für jeden gehaltenen Hund, egal welcher Rasse. Eine Meldepflicht und entsprechende Auflagen für Listenhunde existieren aber auch dort. Insgesamt ist die Gesetzgebung in Deutschland bezüglich Hundehaltung also sehr unübersichtlich. Und die Frage bleibt: gibt es diese gefährlichen Listenhunde und ist der bestehende Umgang mit ihnen gerechtfertigt?

Vorfälle mit Hunden in Deutschland

Hundebisse werden nicht bundesweit statistisch erfasst. Durchschnittlich sind in den Jahren 1998 bis 2015 laut statistischem Bundesamt 3,6 Menschen durch Hunde getötet wurden. Die Hundebissstatistik aus Berlin gibt an, dass es 2018 insgesamt 625 Fälle gab in denen Menschen verletzt oder angesprungen wurden und 450 Fälle in denen Hunde verletzt wurden. 43 (Angriffe auf Menschen) beziehungsweise 39 (Angriffe auf Hunde) wurden dabei durch „gefährliche Hunde“ verursacht. Genaue Angaben zu Verletzungsgraden gibt es aber nicht. Auf der Liste gefährlicher Hunde stehen in Berlin mittlerweile nur noch drei Rassen: der Pitbull Terrier, der American Staffordshire Terrier und der Bullterrier. Eine vierte Gruppe bilden Mischlinge dieser drei Kampfhund-Rassen. Der American Staffordshire Terrier führt diese Liste mit 20 Angriffen auf Menschen  im Jahr 2018 an. Bei den als nicht per se gefährlich eingestuften Rassen gab es 174 Angriffe auf Menschen von Mischlingen, gefolgt vom Deutschen Schäferhund mit 67 und den Parson Russell Terriern/Jack Russell Terriern mit 35 Angriffen. Interessant ist, dass der Dackel fast genauso oft (20-mal) einen Menschen angegriffen hat wie der Rottweiler (21-mal). Ein Gefahrenpotenzial einer bestimmten Hunderasse lässt sich trotzdem nur schwer herausstellen. Genaue Statistiken zur prozentualen Verteilung von Hunderassen fehlen und die Tatsache, dass es wahrscheinlich auch viele nicht gemeldete Hunde und nicht gemeldete Vorfälle mit Hunden gibt, machen eine Aussage unmöglich. Einer Studie der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2005 zufolge, die zum einen offizielle Bissstatistiken und zum anderen Rasseverteilungen in Tierarztpraxen in Berlin und Brandenburg ausgewertet hat, gibt es keinen Unterschied zwischen der Auffälligkeit von Schäferhund und American Pitbull Terrier. So könnte die Zusammenstellung der Hunderassen, die auf den Listen der Bundeländer erscheinen, willkürlich wirken. Festzustellen ist, dass diese Rasselisten alles andere als wissenschaftlich unterfüttert sind und es lässt sich die Vermutung ziehen, dass letztendlich auf starkes Medieninteresse reagiert wurde. Genaueres kannst Du hier nochmal nachlesen:

Der Wesenstest

Neben anderen Anforderungen wie Volljährigkeit des Halters, Zuchtverbot oder Verpflichtung zur Kastration des Hundes, kann ein Wesenstest von den Bundesländern verlangt werden oder auch vom Besitzer selbst in Betracht gezogen werden, um eine Gefährlichkeit zu widerlegen. So unterschiedlich die Gesetzgebung der Bundesländer in Bezug auf die Hundehaltung ist, so verschieden ist auch die Durchführung des Wesenstest. Bis jetzt gibt es keinen genormten Testablauf. Auch die Kosten variieren stark. In Köln kostet die Durchführung des Tests zur Zeit 100 Euro, in Sachsen-Anhalt können sogar bis zu 500 Euro fällig werden.

Der niedersächsische Wesenstest

Der niedersächsische Wesenstest gilt als gut ausgereift. Ziel ist es, Hunde zu identifizieren, die ein gestörtes Aggressions- und Sozialverhalten haben. Empfohlen wird das Testen der Hunde ab einem Alter von 15 Monaten. Sie werden mit Stimuli konfrontiert, die von Menschen, Artgenossen, anderen Tieren und auch der unbelebten Umgebung ausgehen. Diese sind exakt festgelegt. So müssen ein männlicher und ein weiblicher Hund und vier Personen am Test teilnehmen. Des Weiteren kommen zum Beispiel ein Kinderwagen, aufgenommenes Kindergeschrei, eine Fahrradklingel und Luftballons zum Einsatz. Vor der Testdurchführung ist ein Fragebogen durch den Halter auszufüllen, der über die Vergangenheit und die Haltung Auskunft geben soll. Unter anderem wird gefragt, warum der Hund angeschafft wurde, ob noch andere Tiere im Haushalt leben, wie lange die Spaziergänge dauern und welches eigene Verhalten bei einem Vergehen des Hundes ausgeübt wird. So kann sich der Tester einen ersten Überblick verschaffen.

http://www.struppi-co-verhaltenstherapie.de/files/pdfs/wesenstest_fragebogen.pdf

Es folgt eine allgemeine Untersuchung des Hundes, um organische Ursachen für Verhaltensstörungen auszuschließen. Ein Frustrations- und Lerntest gibt Aufschluss darüber, ob der Hund unter Einfluss von Beruhigungsmitteln steht.

Die Verhaltensprüfung

Die nun folgende Prüfung wird von einem Tierarzt und einem Helfer durchgeführt und zudem gefilmt. Der Hund wird möglichst ohne Maulkorb vom Besitzer an der Leine durch die einzelnen Situationen geführt, die in ihrer Bedrohungs-Intensität verändert werden, indem zum Beispiel die Distanz verkürzt wird. Die Gesamtdauer des Tests beträgt ungefähr 60 Minuten ohne längere Pausen, mit dem Ziel, dass ein gewisses Stresslevel beim Hund vorliegt. Zur Bewertung liegt dem Gutachter ein Skalierungssystem für die Reaktionen vor, beginnend bei Meide- oder Angstverhalten und endend bei Beißen mit anschließender Beruhigungsdauer von über zehn Minuten. Situationen die zum Beispiel nachgestellt werden, sind:

  • Annäherung von vorne und Anstarren
  • eine weinende Person (wie ein Kind)
  • eine fremde Person versucht den Hund zu streicheln (mit Ansprache)
  • Konfrontation mit einem gleichgeschlechtlichen Hund hinter einem Zaun
  • Hund und Halter passieren bunte Luftballons
  • Eine Person geht auf den Hund zu und schreit ihn an

Die genaue Ausführung des Tests und die Verhaltens-Beurteilung kannst Du hier nachlesen:

Die Kosten für einen Wesenstest betragen circa 100 bis 300 Euro.

Mögliche Folgen eines Wesenstests

Ein erfolgreich bestandener Wesenstest kann dazu führen, dass der Hund vom Maulkorb- und Leinenzwang befreit wird. Das entscheidet die jeweils zuständige Behörde der Bundesländer anhand der Einschätzung des Gutachters. Ein nicht oder nur unzureichend bestandener Wesenstest kann dazu führen, dass nur noch bestimmte Personen den Hund führen dürfen. Die Maulkorb- und Leinenpflicht bleibt dann natürlich bestehen. In Ausnahmefällen kann es sogar zu einer Beschlagnahmung des Tieres kommen.

Kritik am Wesenstest

Studien haben gezeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit von inadäquatem Aggressionsverhalten zwischen als gefährlich eingestuften Listenhunden und dem in diesem Fall getesteten Golden Retriever gibt. Der Wesenstest an sich scheint geeignet zu sein, dass Aggressionspotenzial und Sozialverhalten von Hunden einzuschätzen. Die Diskriminierung bestimmter Hunderassen in diesem Zusammenhang trifft aber auf große Kritik sowohl aus Halterkreisen als auch aus der Wissenschaft. Die entscheidende Rolle spielt wohl vor allem das andere Ende der Leine und nicht die genetische Veranlagung. Der Mensch hat einen wichtigen Einfluss auf das Aggressionsverhalten seines Hundes, ob unbewusst oder sogar gewollt.

 Fazit

Zugegebenermaßen war ich selbst nie wirklich schlüssig über die Beurteilung sogenannter Listenhunde. Sind sie gefährlicher als andere Hunde? Ist die Gesetzgebung gerechtfertigt? Die Vorurteile haben sich definitiv eingebrannt und obwohl ich absolut keine Angst vor Hunden habe, schaue auch ich genau hin und warte schon fast auf ein aggressives Verhalten bei der Begegnung mit einem Pitbull. So geht es wahrscheinlich vielen Menschen. Nach meiner Recherche denke ich aber, dass das Bild des bösen Kampfhund sehr von den Medien geprägt worden ist und die Gesetze eher willkürlich erlassen wurde. Wissenschaftlich kann bisher nicht belegt werden, dass es Hunde gibt, die aufgrund ihrer Rasse gefährlicher sind als andere. Wichtiger als eine allgemeine Vorschrift für Wesenstests beim Hund ist möglicherweise die Förderung des Wissens von Hundehaltern bezüglich ihrer Schützlinge.

 

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